Was ist Trauma?

Birgit Boekhoff   
   9. Oktober 2025

Was ist Trauma?

Unter dem Begriff "Trauma" verstehen wir meistens so etwas wie "ein einschneidendes, furchtbares Erlebnis", "etwas zutiefst Erschütterndes", "ein Erlebnis, das absolut schlimm und überwältigend ist". Also z.B. Erlebnisse wie Naturkatastrophen, Überfälle, Todesfälle, Geiselnahmen, etc.

Als Trauma verstehen wir also ein traumatisierendes Ereignis. Etwas Schlimmes, Einschneidendes.

Doch eigentlich ist das falsch.

Denn wenn verschiedene Menschen ein und den selben Unfall erleben, dann kann es sein, dass der eine eine Traumatisierung davonträgt und der andere nicht.

Ein Trauma ist also nicht das Ereignis an sich, sondern ergibt sich daraus, wie wir dieses Ereignis verarbeiten.

In meiner Ausbildung zum Coach für NI Neurosystemische Integration® | traumasensibles Coaching bei Verena König habe ich einige Sätze und Beschreibungen kennengelernt, die ein neueres Verständnis von Trauma sehr gut beschreiben:

  • Trauma ist nicht das Ereignis an sich, sondern das, was in uns geschieht als Reaktion auf das Ereignis. (Bessel van der Kolk)
  • Ein traumatisches Erlebnis zeichnet sich dadurch aus, dass es die Bewältigungs- und Verarbeitungsfähigkeit des Betroffenen übersteigt. Es hat eine solche Wucht und Intensität, dass der Betroffene davon überwältigt wird und Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Lebensbedrohung erfährt. (Verena König)

Diese Definitionen beschreiben eher einmalige extrem furchtbare, den Betreffenden massiv überfordernden Erlebnisse.

Doch es gibt auch Mikrotraumata. Die kleinen, stetigen Nadelstiche, die in Summe dann die Bewältigungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten des Betreffenden übersteigen. 

Ich würde Trauma nach meinem Wissen und meiner Erfahrung heute so definieren:

  • Trauma ist die Folge eines Erlebnisses oder einer Serie wiederholter Erlebnisse, die so schmerzhaft waren, dass der Betroffene sie selbst nicht bewältigen und verarbeiten konnte und in denen es auch keine ausreichende Hilfe von außen gab. Dieses Erlebnis oder die Summe der Erlebnisse haben beim Betroffenen zu Gefühlen absoluter Hilflosigkeit, Ohnmacht, Verlorenheit, Überforderung und Todesangst geführt.
  • Oder kurz gesagt: Trauma ist die Abwesenheit von Sicherheit, bzw. die Unfähigkeit, Sicherheit zu empfinden.

Und dazu finde ich auch wichtig zu ergänzen:

  • Trauma ist im Körper gehaltene Energie. (Bessel van der Kolk)

Wer traumatisiert ist und die Traumatisierung noch nicht verarbeitet hat, hat immer körperliche Symptome.

Wenn wir diese neueren Definitionen von Trauma verstehen und an uns heranlassen, dann erkennen wir, dass wahrscheinlich viel mehr Menschen traumatisiert sind, als wir denken.

Ich selbst habe erst verstanden, dass ich selbst auch traumatisiert bin, als ich die Ausbildung bei Verena König gemacht habe und zeitgleich meine damalige Psychotherapeutin zu mir sagte, das, was ich ihr aus meiner Kindheit berichten würde, würde man "emotionale Vernachlässigung" nennen.

Ich habe nie etwas richtig Schlimmes erlebt, was man unter der bisherigen Begriffsdefinition als "traumatisches Erlebnis" bezeichnen würde. Daher war mir selbst gar nicht bewusst, dass ich traumatisiert bin und unter Traumafolgestörungen leide.

Aber ich habe stetige kleine Mikrotraumata erlebt, die ich aufgrund meiner Veranlagung und Hochsensibilität als extrem beängstigend empfunden habe, die ich nicht verstehen und nicht integrieren konnte und ich hatte keine Co-Regulation im Außen, also nicht die nötige emotionale Zuwendung, Sicherheit, Halt, Trost, Ermutigung, Nähe.

Somit war mein Nervensystem im Dauerstress - und dieser Dauerstress hat zu einer Traumatisierung geführt.

Und an dieser Stelle kann man eine weitere Definition von Trauma anfügen:

  • Trauma ist ein Feststecken in der Dysregulation, ein Feststecken im Überlebens-Modus, ohne in einen Zustand von Sicherheit, Regulation und Entspannung zurück zu kommen.

Es gibt sicherlich noch weitere Beschreibungen oder Definitionen von Trauma, mir geht es hier nicht um Vollständigkeit oder wissenschaftliche Korrektheit. Mir ist wichtig, aufzuzeigen, dass unser altes Verständnis von "Trauma" und "Traumatisierung" überholt ist und wir gut daran tun, unser Verständnis davon upzudaten.

Für mich persönlich war es ein wesentlicher Schlüssel für meine Heilung, zu verstehen und anzuerkennen, dass ich traumatisiert bin - und dann entsprechend Therapie zu machen. Und ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen, die unter Traumafolgestörungen leiden, verstehen, dass sie traumatisiert sind und das das mit ein Grund ist, weshalb es ihnen immer schlecht geht.


Wie würden Sie Trauma definieren? Schreiben Sie das gern unten in die Kommentare hinein, es würde mich interessieren, Ihre Definition und Sichtweise zu lesen.


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